Vorsicht: So wird Begeisterung zur Sackgasse

Scheuklappen abnehmen

Können Sie sich vorstellen, dass Ihre Wirkung und Ihr Erfolg oft von einem einzigen Punkt abhängt? Das nicht mehr zählt, was alles Sie richtig und gut gemacht, sondern nur das, was Sie falsch gemacht oder missachtet haben? Ich erzähle Ihnen jetzt ein eindringliches persönliches Beispiel dafür, wie Sie durch Missachtung Ihres Gesprächspartners manchmal Ihre ganze Arbeit in Frage stellen oder zum Scheitern verurteilen. Das tue ich sehr gerne, denn von nichts können wir alle so leicht und ohne Nachteile profitieren, wie von einem ganz konkreten Beispiel. Ich bin sicher: Sie werden aus meinem Fehlern lernen.

Vorbereitung vs. Spontanität

Vor einigen Jahren freute ich mich wieder einmal auf einen meiner größeren öffentlichen Vorträge. Alles war bestens, der Kartenvorverkauf lief sehr gut und der Veranstalter stimmte mich im Vorfeld darauf ein, dass ich eine ausverkaufte Halle zu erwarten hatte – über 700 Zuschauer. Ich war begeistert, motiviert bis über die Ohren, absolut überzeugt, dass ich dem Publikum mit meinem lebendigen Vortrag wieder einen außergewöhnlich spannenden, kurzweiligen Abend bereiten würde. So weit, so gut. Der Termin rückte näher, meine Begeisterung und Vorfreude stieg immer weiter und gipfelte in den letzten Stunden darin, dass ich mir noch mehr vornahm. Obwohl ich sonst zu den Rednern gehöre, die viel Raum für Spontanität zulassen, sich sogar auf Ungeplantes freuen, war ich diesmal bis ins letzte Detail „verplant“, hatte jede Kleinigkeit meines Auftritts genau vorbereitet.

Am Nachmittag, ungefähr vier Stunden vor meinem Vortrag verfiel ich in gespannte Unruhe. Ich wollte anfangen, ich hatte ja so viel vor. Dann war es endlich so weit. Es war ein Montag, es war kurz vor 20 Uhr und wir wollten anfangen. Ich hielt mich hinter der Bühne auf und lief wie ein Raubtier im Käfig ungeduldig auf und ab. Plötzlich, ich war mitten in meiner direkten mentalen Vorbereitung, erhielt ich die Nachricht, dass noch mehrere Hundert Teilnehmer fehlten. Vor der Halle war ein größerer Stau. Also warteten wir.

Die außeren Umstände des Vortrags

Um 20 Uhr 20 entschieden wir uns anzufangen, obwohl sicher noch gut 200 Zuschauer fehlten. Ich ging auf die Bühne und legte los. Voll konzentriert auf meine vielen Inhalte war kaum aufzuhalten. Ich ließ mich dabei weder davon stören, dass noch bis fast um 21 Uhr ständig verspätete Zuschauer den Saal betraten noch bemerkte ich die sich zunehmend verschlechternde Stimmung im Publikum.

Dabei war es doch klar: Ein Teil des Publikums war pünktlich ab 19.30 erschienen. Diese Personen mussten sich zuerst in langem Warten üben und fühlten sich dann im Vortrag von den vielen verspäteten Zuschauern gestört, die ständig den Saal betraten und nach freien Plätzen suchten. Die Nachzügler wiederum waren sichtbar vom Stau genervt und ärgerten sich darüber, dass sie den Anfang der Veranstaltung verpasst hatten.

Stimmungen nicht ignorieren

Können Sie sich das vorstellen: Ein Saal, voll mit über 700 verärgerten, irgendwann sogar fast aggressiven Zuschauern? Ich tat auch weiterhin meine Arbeit, ich redete und redete und ging auf all diese negativen Randbedingungen überhaupt nicht ein. Wahrscheinlich, nur so kann ich es mir erklären, wollte ich dies alles nicht wahrhaben, mein Ziel unbedingt erreichen. Was passierte? Klar, die Stimmung heizte sich immer mehr auf und entlud sich plötzlich, als ich den nächsten Punkt an das Flipchart schrieb. Und dies war natürlich ausgerechnet für diese Saalgröße viel zu klein. Ich schrieb also gerade einen Gedanken nieder, als ich verschiedene Zwischenrufe aus dem Publikum wahrnahm. Man könne ja überhaupt nichts lesen.

Was meinen Sie wohl, tat ich daraufhin? Richtig, ich machte einfach weiter, würdigte die berechtigte Kritik meiner Zuschauer mit keiner einzigen Reaktion. Sie können sich sicher gut vorstellen, dass auch der Rest der Veranstaltung kein Zuckerschlecken war: Weder für mich noch für mein geschätztes Publikum, bei dem ich mich auch an dieser Stelle gerne nochmals für dieses Missgeschick entschuldige.

Was hätte ich tun können, nein, tun müssen, um die Stimmung im Saal in eine positive Richtung zu kippen, meinen Vortrag trotz aller Umstände noch zu einem vollen Erfolg zu machen? Haben Sie eine Idee? Natürlich, ich hätte es sehr bewusst wahrnehmen und auf das negative Feedback des Publikums unmittelbar eingehen müssen. Das Einfachste der Welt. Gleich zu Beginn auf den verspäteten Veranstaltungsbeginn, später auf die vielen Störungen durch die den Saal betretenden Nachzügler. Und, vor allem, spätestens dann, als die vielen berechtigten Zwischenrufe kamen. Wie einfach wäre es für mich gewesen, und so sieht zum Glück mein übliches Verhalten aus, diese Einwände aufzugreifen, zu hinterfragen oder sogar in den weiteren Ablauf einzubauen.

Vor Elan nicht das Feedback übersehen

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, ich hätte die Zwischenrufe zu meiner unleserlichen, weil viel zu kleinen Schrift ganz einfach so kommentiert: „Sehen Sie, das wollte ich Ihnen damit zeigen, genau darum geht es. Heute Abend zählt nur das gesprochene Wort“. Oder, noch einfacher: „Ich danke Ihnen für Ihr Feedback. Denn genau dies ist die alles entscheidende Basis für gute, partnerschaftliche Gespräche“. Und wissen Sie, was: Heute bin ich sogar der festen Überzeugung, dass diese Zwischenrufe gar nicht gekommen wären, wenn ich mich von Anfang an um mein Publikum gekümmert hätte. Es waren ganz einfach die Hilferufe stark vernachlässigter Zuschauer.

Was bleibt zu sagen? Natürlich habe ich mich über mein Verhalten, diesen typischen Anfängerfehler, geärgert. Denn wie oft habe ich andere davor gewarnt – jetzt war ich selbst in die Falle getappt. Hat es mich niedergeschmettert? Nein, denn ich habe meine Lektion gelernt: Begeisterung und Überzeugung für die eigene Sache ist wichtig. Nur darf es nicht zu selbstverliebtem Fanatismus führen, der das Wichtigste überhaupt sträflich vernachlässigt: Das Feedback, die Wünsche unserer Gegenüber.